Geschichte des Vegetarismus

Der Vegetarismus drängt erst seit einigen Jahren ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung und erweckt somit oftmals den Anschein einer recht neuen Ernährungsform. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, zeigt die Tatsache, dass die Wurzeln der vegetarischen Ernährung bereits vor der Antike zu finden sind. Sowohl im östlichen Mittelmeerraum rund um Griechenland als auch in Indien entstand die Idee einer fleischlosen Ernährung. In beiden Regionen wurde der Vegetarismus unabhängig voneinander entwickelt und diente vor allem religiöser und philosophischer Überzeugungen. Zuvor war der Vegetarismus unbekannt und wurde nach heutigen Erkenntnissen von keinem Naturvolk praktiziert, so dass dessen Ursprung in der Religion und Philosophie zu finden ist.

Der Vegetarismus in der Antike, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit

Zu Zeiten der vorchristlichen Antike praktizierten nur relativ wenig Menschen den Vegetarismus und entschied sich ganz bewusst gegen Fleisch als Nahrungsmittel. Insbesondere Mitglieder der philosophisch interessierten Oberschicht gelangten mitunter zu der Ansicht, dass fleischliche Nahrung einen Nachteil für ihre philosophischen Ziele darstelle. Zudem lehnten die Anhänger des Vegetarismus Tieropfer ab, sahen viele Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier und ernährten sich somit auch aus ethischen Gründen vegetarisch.

Belegt ist die vegetarische Lebensweise im europäischen Raum erstmals für das 6. Jahrhundert vor Christus. Vor allem die Platoniker, Pythagoreer und Orphiker taten sich hier hervor und trugen zur Verbreitung der vegetarischen Ernährungsweise im griechischen Kulturkreis bei. Die antiken Vegetarier stießen aber nicht immer auf Gegenliebe und mussten mit Gegenbewegungen zurechtkommen, wie zum Beispiel den fast ausnahmslos antivegetarischen Stoikern. Clodius von Neapel wurde später einer der größten Gegner des Vegetarismus und veröffentlichte im 1. Jahrhundert vor Christus ein Werk namens „Gegen die Verächter der Fleischkost“. Clodius rechtfertigte Fleisch als Bestandteil der menschlichen Ernährung auf verschiedene Weisen. Zunächst betonte er, dass Fleisch oftmals der Gesundheit diene und zudem ein natürlicher Krieg zwischen Tieren und Menschen existiere. Somit sei es natürlich, Tiere zu töten und auch zu essen.

Im Laufe der Antike hielt der Vegetarismus auch im Christentum Einzug und etablierte sich in der christlichen Kirche des Mittelalters. Vor allem Mönche betrieben hier den Vegetarismus und verzichteten zugunsten der Askese, die vor allem die Selbstkontrolle, Disziplin und Charakterfestigung zum Ziel hatte, auf den Verzehr von Fleisch. Als Vorbild diente in diesem Zusammenhang in der Regel der Kirchenvater Sophronius Eusebius Hieronymus. Nonnen und Mönche entschieden sich seit jeher für ein bescheidenes Leben in Demut, in dem es persönliche Begierden zu überwinden galt und daher Entbehrungen den Alltag bestimmten. So gab es auch Orden, in denen der Vegetarismus praktiziert wurde. Die Benediktiner verzichteten beispielsweise auf Fleisch, aßen aber weiterhin Fisch und Geflügel. Andere Orden ernährten sich strenger vegetarisch und nahmen auch kein Geflügel zu sich.

Der Verzicht auf Fleischnahrung und somit die vegetarische Lebensweise hatte in der mittelalterlichen Kirche im Allgemeinen keine ethischen Motive. So ging es bei den vegetarisch lebenden Orden und Christen nicht um das Wohl der Tiere, sondern um die Askese, die sie ihren religiösen Zielen näherbringen sollte. Im Zuge der frühen Neuzeit wuchs der Kreis der Vegetarier in Europa, so dass nicht mehr nur Mitglieder entsprechender Orden auf Fleisch verzichteten. Bedeutende Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Leonardo da Vinci, entschieden sich für den Vegetarismus als Lebensform und begründeten dies zumeist ebenso wie die antiken Philosophen mit der ethischen Pflicht des Menschen den Tieren gegenüber.

Der Vegetarismus seit dem 19. Jahrhundert

Nachdem Christen den Vegetarismus bereits im Laufe des 18. Jahrhunderts nach Großbritannien und Nordamerika brachten, entstand im Jahr 1801 der erste Verein für Vegetarier in London. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts etablierte sich der Vegetarismus somit zunehmend im angelsächsischen Raum. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde schließlich die sogenannte „Vegetarian Society“ ins Leben gerufen.

Auch außerhalb Großbritanniens konnte sich der Vegetarismus während des 19. Jahrhunderts zunehmend etablieren. In Deutschland galt Gustav Struve als einer der Pioniere auf dem Gebiet der vegetarischen Ernährung und war im Jahr 1868 an der Gründung des vegetarischen Vereins in Stuttgart beteiligt, der heute nach wie vor existiert. In seinem Werk „Pflanzenkost – die Grundlage einer neuen Weltanschauung“ legte Struve seine Motive für ein Leben im Zeichen des Vegetarismus dar und veröffentliche so 1869 ein Grundlagenwerk der vegetarischen Bewegung in Deutschland. Insbesondere gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden dann immer mehr Vegetarier-Vereine, so dass der Vegetarismus an Bedeutung gewann und zunehmend Zuspruch erhielt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand schließlich die Internationale Vegetarier-Union als weltweiter Dachverband für die zahlreichen nationalen Vegetarismus-Verbände. Mittlerweile ist der Vegetarismus eine verbreitete Ernährungsform, die längst keine Seltenheit mehr darstellt. Obgleich der Vegetarismus auf eine lange Tradition zurückblicken kann, konnte sich dieser vor allem in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten etablieren. Unter anderem ist dies mit Sicherheit auf das wachsende Angebot an vegetarischen Produkten zurückzuführen, denn so wird es Vegetariern leicht gemacht, sich fleischlos zu ernähren.